Über Influencer wird ja im Überfluss geschrieben, gelästert, geschimpft. Manchmal denkt man, die Hype-Disziplin Influencer-Marketing sei reichlich negativ befrachtet. Und doch setzen immer mehr Firmen auf Influencer. Im Tourismus z.B. sind sie ein fester Bestandteil des Destinationsmarketings geworden, da Verlage kaum noch Reisejournalisten beschäftigen. Aber sind Influencer ihr Geld auch wert?
Die kurze Antwort: Manchmal ja, meistens nicht, schwierig zu sagen…
Influencer gibt es in allen Farben und Schattierungen. Und es gibt sie seit Menschengedenken: Eine der ersten dokumentierten Influencerinnen war Eva und ihr Apfel. Sie war nicht nur sehr schön, sondern auch sehr erfolgreich. Denn bekanntlich wurde Adam schwach, nahm den Apfel und seither sind wir aus dem Paradies vertrieben.
Die Bezeichnung “Influencer” ist also alter Wein in neuen Schläuchen und man sollte die Suppe nicht so heiss löffeln, wie sie gerade gekocht wird.
Was im Gegensatz zu früher neu ist, sind die Skaleneffekte von Social Media Netzwerken: Moderne Influencer erreichen auf Plattformen wie YouTube, Instagram, Twitter & Co. Tausende von Fans, die ihre Botschaften willig aufnehmen. Im besten Fall wird nicht nur geliked und kommentiert, sondern eben auch gekauft und weiterempfohlen.
Word-of-Mouth heisst das dann auch mal – oder Weiterempfehlungsmarketing, wenn der Prozess aktiv gesteuert wird.
Wer Influencer als Markenbotschafter einsetzen will, sollte sich deren Profile gründlich anschauen und das Geschäftsmodell von Influencern verstehen: Diese leben davon, Produkte zu bewerben und dafür Honorare einzustreichen. Läuft der Vertrag mit einem Anbieter aus, kann es sein, dass dann nahtlos das Produkt eines Konkurrenten beworben wird.
Es müssen ja schliesslich Einnahmen her…
Instagram
Den grössten Hype beobachte ich zurzeit rings um Instagram: Die zu Facebook gehörende Bilderplattform verbreitet sich rasant, daran wird auch der Abgang der beiden Firmengründer nichts ändern (Hier ein interessanter Hintergrundbericht über die kulturellen Auswirkungen auf eine Generation, für die das Bild alles ist). Werbetreibende, die Instagrammer nicht nur zu Branding-Zwecken einbinden wollen, sondern auch für Konversionen, müssen genau untersuchen, ob der Instagram Feed oder deren Stories bessere Resultate versprechen. Das variiert je nach Branche und Influencer erheblich, wie Christoph Hess von Kuble AG weiss. AdEspresso hat hier einen Test der Plattformen publiziert: Werbung im Instagram Feed mit zusätzlichen Text-Ads brachte die höchsten Konversionsraten und dadurch tiefsten Kosten pro Lead. Dafür hatte Werbung in den Instagram Stories die höchste Klickrate und tiefsten Kosten pro Klick. Und natürlich sollte die Bildwelt des Influencers zum Produkt passen. Instagram eignet sich wie alle Social Networks eher nur für grössere Firmen, da man neben der Konzeption und dem Influencer auch noch die Mediakosten für die Bewerbung der Inhalte kalkulieren muss. Eine kostenlose organische Reichweite gehört nicht zum Businessplan von Social Networks. Sie sind “pay to play”. Influencer hin oder her. Bei BlueGlass empfehlen wir ein monatliches Mediabudget von mindestens CHF 1’000.-, um Resultate zu generieren. Langfristig sehe ich ein Problem auf Instagram-Influencer zukommen: Aktuell vereinheitlicht sich die Bildsprache von erfolgreichen Accounts derart stark, dass die Profile völlig austauschbar werden. Hier am Beispiel von Landscapern und ihren Reisefotos. Das kann auf die lange Sicht nicht gut sein für die Influencer.
Aber lohnt sich der Einsatz von Influencern tatsächlich?
Ja, es gibt Erfolgsgeschichten. An denen orientieren sich alle und meinen, auf den Zug aufspringen zu müssen. Hier ein typischer Bericht über Social Media Stars, in diesem Beispiel YouTube Vlogger. Die Schattenseiten des Influencer-Jobs werden auch gleich beleuchtet. Solche Erfolgsgeschichten sind wie der Lotto-Sechser: Weil jemand viel gewonnen hat, spielen alle mit. Der Erfolg scheint ja für alle möglich zu sein. Gewinner sind die Lottogesellschaft, das Casino oder eben das Social Media Netzwerk, denn die meisten Teilnehmer gehen leer aus. Weil ein Influencer mit angeblich wenig Aufwand eine virale Kampagne lancieren konnte, versuchen das alle anderen auch. In der grossen Mehrheit mit wenig Erfolg. In den Medien liest man nur über die spektakulären Erfolgsfälle. Oder die ganz üblen Fehlversuche, in denen sich Influencer Leistungen erschleichen wollen. Über all die werbenden Firmen, die mit ihren Influencer-Kampagnen kaum Reaktionen geschweige denn Konversionen auslösen, spricht niemand. Deren Einsatz lohnt sich dann also nicht.Mit welchen Kennzahlen kann man Influencer beurteilen?
Die Konzepte für die Zusammenarbeit variieren zwischen Influencer-, Micro-Influencer oder Celebrity-Kampagnen und meist wird der Erfolg in Reichweite und Engagement ausgewiesen. Reichweite? Engagement? Seriously? Diese Kennwerte sind im besten Fall als Branding einzuordnen, abverkaufen lässt sich damit nicht. Oder wann haben wir zuletzt eine Influencer-Kampagne mit Rabatt-Coupons gesehen, die Verkäufe nachvollziehbar ausweisen? Influencer sagen dann, sie seien halt Top-of-Funnel und sorgen für Marken- oder Produktbekanntheit. Abverkaufen müsse man später mit Google Ads. Einverstanden. Aber hier kommt das grösste Problem von Schweizer Influencern: Ihr Markt ist schlicht zu klein, als dass sich das Influencer-Konzept lohnt. In China, USA oder sogar Deutschland mag das anders sein. Dort haben Influencer zwar mehr Konkurrenz, gleichzeitig aber einen viel grösseren Markt. Wer es wie der Deutsche Thomas Derksen mit etwas Humor hinkriegt, kann sich ein gewaltiges Stück sogar vom chinesischen Kuchen abschneiden… Bei uns etabliert sich aktuell gerade der Begriff “Micro- oder gar Nano-Influencer”: In ihrem zwar kleinen Netzwerk haben sie eine viel höhere Engagement-Rate als grosse Influencer oder Celebrities, da sie die Zielgruppe enger abdecken, ihre Follower z.T. persönlich kennen und viel mit ihnen interagieren. Mag sein. Aber hier kommt das nächste Problem: Für eine Kampagne müsste man also mit vielen Micro-Influencern zusammenarbeiten. Diese wollen aber alle individuell anhand der Eigenschaften ihres Profils angesprochen werden. Sonst sind sie für eine Kampagne gar nicht zu gewinnen. Man braucht also allein schon für die Influencer-Akquisition nicht nur ein Werbebudget und ein Influencer-Honorar, sondern auch ein raffiniertes Konzept. Das generiert beim Auftraggeber oder seiner Agentur enorme Aufwände. Was wiederum an der Marge knabbert.Je nach Branche können Influencer-Kampagnen funktionieren
Die Beauty-, Fashion- und Tourismus-Verticals sind die dankbarsten Branchen für Influencer-Kampagnen. Hier kann sich der Einsatz von Influencern lohnen. Die Erfolgsmessung bleibt aber eine grosse Herausforderung, wie sogar Nestlés Mediachefin Maike Abel am Werbewirkungsgipfel zugibt. Bei meinem Arbeitgeber BlueGlass Interactive haben wir für eine Foodblogger-Kampagne von coop@home verschiedene KPIs herangezogen, um den Erfolg zu messen. Es ging um die Bewerbung der neuen online Fleisch-Theke. Zum Höhepunkt der Kampagne rief der Metzger, wir sollen damit aufhören, er komme nicht mehr nach mit Fleisch schneiden ;-)Wie erkennt man “gute” Influencer?
Die Berichterstattung ist heute ja voll von Berichten über Influencer mit getürkten Reichweitenzahlen. Einige Werbetreibende behelfen sich mit der Relation von Anzahl Followern zur Anzahl gelikter Bilder. Diese Kennzahlen sind reine Augenwischerei: Heute lassen sich Follower und Likes nicht nur günstig kaufen, auch Kommentare sind so zu kriegen, dass Algorithmen nicht mehr erkennen können, dass diese unnatürlich zu Stande kamen. Ob Instagram, Facebook oder YouTube ist dabei unerheblich. Grosse Influencer kaufen sich ihre Statistiken, womit sie die Werbetreibenden beeindrucken. Socialfollowers.me ist beispielsweise so ein Anbieter, der sich vor Anfragen von Influencern kaum retten kann. Alle wollen ihre Kennzahlen auf allen möglichen Kanälen für wenig Geld pimpen. Sparktoro.com ist einer der Gegenspieler, also ein Analyse-Anbieter, der die Qualität des Follower-Profils ausweist. Bisher erst für Twitter, ab 2019 dann auch für andere Social Networks. Für mein eigenes Profil bin ich recht zufrieden, ich habe auf jeden Fall noch nie für Follower bezahlt. Anders sieht es beim bekanntesten Schweizer eSportler Mathieu Quiquerez alias Maniac_CSGO aus. Er hat mehrheitlich Fake Follower. Reichweiteninformationen ist sowieso auf keinen Fall zu trauen, das sind reine “Vanity-Metrics”. Meiner Meinung nach läuft die seriöse Evaluation nur via Agenturen, die Influencer und ihre Arbeitsweise und Erfolge persönlich kennen. Selbstverständlich fällt auch bei der Agentur ein Honorar an, was wiederum an der Marge weggeht. Für Werbetreibende selber ist der Aufwand für die passende Influencer-Selektion kaum sinnvoll zu stemmen. Einige Schweizer Agenturen sind- Picstars von ehemaligen jobs.ch-Managern, die mit Sport-Celebrities zusammenarbeiten
- Coolbrandz mit ihrer Word-of-Mouth Plattform, auf der sie Influencer vermitteln
- Meetmaker mit Fokus auf Tourismus und Food
- Kingfluencer als gefühlt bekannteste Agentur
- Und gemäss Google-Suche viele weitere