Vortrag am Internet Briefing von Christoph Lüscher, Partner, Information Architects Zürich.
Steve Jobs hat das iPad als etwas sehr revolutionäres vorgestellt. Apple hat es geschafft, eine neue Gebärdensprache durchzusetzen, z.B. den ’swipe›.
Strategie & Ziele von iPad Apps
Das kleine Geheimnis der letzten Rezession: Online Abteilungen von Medienhäusern haben hochprofitable Einheiten etabliert, die z.T. massgeblich zum Konzernergebnis beitragen.
Immer noch wird das Internet in Medienhäusern als Kanal für bestehende Inhalte missverstanden. In den Projekten von Information Architects sitzen Print-Spezialisten und Onliner am selben Tisch. Sie lernen überraschend viel voneinander und gestalten das neue medienkonvergente Lean-Back Medium auf dem iPad. Bild, Text, Ton, etc. werden auf einem Device benutzerfreundlich «passiv» nutzbar: Man nutzt z.B. Social Media Websites auf dem Sofa, tippt dabei aber nur noch gelegentlich.
Inhalte aufbereiten für iPads
Das iPad wird an andern Orten und sehr mobil genutzt. Apple ist der Gatekeeper für Inhalte, Pornographie ist verbannt. Ohne Internetanschluss ist das Gerat ein Lesegerät für heruntergeladene Inhalte.
Die Texteingabe muss auf ein Minimum reduziert werden, weil die Tastatur nicht feudal ist. Die Funktion der Magic Mouse wird auf dem Display abgebildet.
Das iPad erhöht den Stellenwert der Inhalte: Der Bildschirm ist sehr hochauflösend und hat eine bestimmte Grösse, die den Medienhäusern bekannt ist. Dadurch können die Inhalte gezielt formatiert werden, man muss nicht für verschiedene Browser und Auflösungen entwickeln.
Gestaltung für iPad
Was sieht gut aus? Die Auflösung beträgt zwar 1024 x 768, die Pixelgrösse ist aber sehr klein, d.h. Schriftgrössen müssen grösser gewählt werden als auf dem PC-Monitor. Alle Websites werden ihre Stylesheets für iPad optimieren müssen.
Durch die hohe Pixeldichte braucht Apple kein Anti-Aliasing, d.h. man sollte andere Schriften wählen, um ein angenehmes Leseerlebnis ähnlich wie beim Kindle zu ermöglichen.
Wegen des hohen Kontrastes sind schwarze Texte auf weissem Grund nicht mehr optimal. Helfen können Hintergrundfarben oder sogar -texturen.
Betreffend Formatierung muss immerhin auf Quer- oder Portraitausrichtung geachtet werden: Der Umbruch muss in beiden Formaten überprüft werden, z.B. bei Wired.com’s iPad App.
Der Bildschirm ist so brilliant, dass sogar hochaufgelöste Videos verpixelt wirken. Nur HD Filme sehen wirklich gut aus, transportieren aber eine hohe Datenmenge mit langen Ladezeiten.
Ausschmückungen wie Holz oder Leder sind auf dem iPad nicht nur möglich, sie helfen sogar der Lesbarkeit. Damit können unterschwellig Nachrichten vermittelt werden.
Als Metaphern werden ledergebundene Notizbücher herangezogen, die Grenze zwischen Kitsch und Kunst ist nur noch schmal. Ein in Leder eingefasstes Notizbuch von Apple ist etwas übertrieben, die Inhalte können hinter der Ledereinbindung verschwinden…
Bei der Buchmetapher erwartet man, dass der Text sofort verfügbar und gerendert ist. Und natürlich dass der Stapel der verbleibenden Seiten abnimmt.
Beim eBook blättert man nach oben und hat das Gefühl, die Blätter auszureissen, statt zu blättern.
Beispiel Southwest Airlines mit einem Telefon und weiteren Icons. Yahoo macht heute wieder ähnliche Anlehnungen an bekannte Objekte.
Die USA Today App wirkt gut gemacht. Usability-Tests haben aber ergeben, dass die wenigsten User die Funktionen verstehen. Man hat zuviele Optionen.
Die Financial Times hat eine saubere Papiermetapher mit wenig Funktionen. Es funktioniert, wirkt aber wenig innovativ.
Paris Match benutzt eine Erklärung auf der iPad-Seite. Dies ersetzt aber natürlich nicht gute Usability.
AmazonKindle benutzt einen Progress Bar anstatt einer weiteren Metapher.
Die New York Times experimentiert bereits intensiv mit den neuen iPad Formaten. Entsprechend können sich recht heisse Diskussionen ergeben…
Die iPad Adaptation einer Zeitung durch Information Architects schafft Orientierung direkt durch den Inhalt. Man kann nach links und rechts, oben und unten scrollen und man kann klicken. Detailseiten haben auf dem iPad keine Spaltigkeit mehr, Bilder sind seitenfüllend. Der Shop hat einen grauen Hintergrund, um ihn von der Zeitung abzuheben.
Die 20Minuten App stammt von der iPhone App und funktioniert trotzdem relativ gut.
Den Textlink gibt es kaum noch, da man ihn fast nicht treffen kann, wenn mehrere Links untereinander stehen. Man setzt eher ‹Tapping Areas› ein, die mit dem Finger bedient werden können.
iPad App-Produktion
Für Medienhäuser ist es bereits eine grossere Herausforderung, ihre Inhalte digital aufzubereiten. Sie dann noch für das iPad zu optimieren, ist dann erst ein zweiter Schritt.
Usability-Fragen stellen sich z.B. bei einem Magazindesign neu: Können Texte angerissen werden und die Benutzer können sie dann in den Screen ziehen, um sie zu lesen?
Das «Agenda-Setting» geschieht online nach dem Tetris-Prinzip: Das Neuste kommt zuoberst rein. Im Print wird die Seite genauer geplant. Diese Erkenntnisse kommen jetzt beim iPad vermehrt wieder zum Zug.
Geschäftsmodelle fürs iPad
Die Diskussionen um die Geschäftsmodelle werden mit neuen Aspekten angereichert: Es gibt eine neue Konkurrenz zwischen Online und iPad. Bezahlen User eine Abogebühr oder eine Artikelgebühr? Als «Fairer Preis» wird der Print-Preis minus Distributions- und Printkosten empfohlen.
An Werbeformen sind neue Formate nötig, die vom guten Bildschirm und den interaktiven Möglichkeiten leben.
Die iPad App selber kann verkauft werden. Bei Medienhäusern ist dies wenig sinnvoll, da es der Enabler für das Sehen der Inhalte ist.
Eine gute iPad App ist sehr aufwendig zu erstellen und muss relativ lange optimiert werden, da die Usability-Erfahrungen noch fehlen.
Slides vom iPad Internet-Briefing von Information Architects.