Eine App ist schnell erstellt, aber wie kommt man auf genügend Benutzer und wie verdient man damit Geld? Matthias Sala, Gründer und CEO von Gbanga stellt die Best Practices im Rahmen des Internet Briefings Zürich vor. Gbanga erstellt ortsbasierte Unterhaltungs-Apps.
Mein Kurzfazit: Die einfache Patentlösung gibt es (wieder einmal) nicht…
Mobile Apps: Vermarktung, Werbung, soziale Netzwerke
Internet Briefing Zürich: Die Promotion von mobilen Apps ist besonders herausfordernd, weil sie über vom Handyhersteller kontrollierte Shops vertrieben werden müssen. Die Platzierung in diesem Shop ist nicht direkt kontrollierbar. In diesem Briefing werden Möglichkeiten erläutert, wie man aus einem Mix aus bezahlter externer Werbung und viraler Integration in soziale Netzwerke wie Facebook die Downloadzahl steigern kann und wie die Downloadzahl sowie der Umsatz durch extremes Pricing (kostenlose App) durch sogenannte In-App-Purchases und Virtual Goods angekurbelt werden. Dafür werden konkrete Beispiele von Erfolgstories aus den USA und Europa (Gbanga, Zynga, ngmoco) kurz vorgestellt.
Geschichtlich gab es bereits 1994 mit Pocketweb einen mobilen Browser mit einem Beispiel der SBB Website. 1996 kam der Nokia Communicator mit dem Pocket IE dazu. Kurz danach wurde WAP publiziert, ein Format für mobile Inhalte, das sich nicht durchgesetzt hat. Während der Zeit war Jamba ein führender Anbieter von Klingeltönen. 2005 erst kam dann ein IE Mobile Browser. Ab 2007 kam mit dem iPhone und dem Apple iStore der Durchbruch, ab 2008 kam dann der Android Market dazu, heute konkurrieren unzählige Shops um die Aufmerksamkeit der User.
Unterschiede Desktop – Mobile
Distribution:
Auf dem Desktop wird über Websites distribuiert, bei Mobile über Websites und von dort über proprietäre Shops.
Homogenität:
Browser-HTML ist praktisch überall gleich vs. mobile Websites und Apps mit Browser-Beschränkungen, unterschiedlichsten Betriebssystemen, Bildschirmgrössen und Eingabemethoden (Tastatur, Touchscreen, etc.).
Durchdringung & Konnektivität
Desktop: Jeder hat Highspeed-Flatrate Internet zu Hause vs. Mobile Abo, Pre-paid, Datenplan, 3G, 4G, GSM
Plattformkrieg: Welche Nischen sind wie besetzt?
Marktübersicht von Smartphones weltweit.
Markt | Anteil | OSs | User |
---|---|---|---|
High-end | 20% | iOS Android webOS MeeGo Windows Phone 7 BlackBerry OS6 |
Für Surfen und Anwendungen wird bereitwillig bezahlt |
Business | 35% | BlackBerry Symbian Windows Mobile Windows Phone 7 |
Vor allem für Business Anwendungen über Corporate Networks |
Mid-range | 45% | Android Symbian BlackBerry bada (Samsung) Windows Mobile |
Musik, Kamera, viel schreiben auf einem günstigen Gerät stehen im Vordergrund |
Browser War
Die Browser-Versionen waren im Februar 2011 folgendermassen verteilt:
Anteil | Browser |
---|---|
22% | Opera |
22% | Safari |
19 | Blackberry |
17 | Nokia |
11% | Android |
4% | Netfront |
1% | UCWeb |
1% | Samsung/bada |
Wie sieht ein Deployment auf Mobile Geräte aus?
Nicht einmal Google Mobile ist intuitiv benutzbar: Die App wird per SMS verschickt oder man wählt sein Handy-Modell aus einer eher unverständlichen Liste.
Auch bei Foursquare muss man das Betriebssystem selber selektieren. Der Vertrieb läuft dann meistens über einen Store, z.B. den iStore von Apple, Android Market, Blackberry App World, etc.
Bezüglich Popularität sind nur der App Store und der Android Market relevant.
Die Distribution mobiler Software läuft über eine Website, einen Link zu einer Mobile-Website und von dort wird heruntergeladen. Eine grosse Herausforderung ist die Bekanntmachung der App: ‹If you’re a mobile app developer, one of your biggest concerns is getting noticed.› Oft werden «alte» Mittel wie Pressekampagnen eingesetzt…
Aufbau von App Stores
App Stores sind meist ähnlich aufgebaut: Es gibt oben einen ‹Featured App› Bereich, wo eine App vorgestellt wird. Dies hilft enorm bei der Verbreitung von Apps. Darunter werden ‹What’s hot› Rubriken angeboten mit Listen von Apps wie Neue Publikationen, Top-Charts der bezahlten Apps, der Gratisapps, die lukrativsten Apps, noch weiter unten erreicht man Charts nach Themen wie Games, Finance, Entertainment, Lifestyle, etc.
Es ist also wichtig, in welcher Kategorie man die eigene App publiziert: Wieviele Apps gibt es da bereits, wer ist die Konkurrenz?
In Korea und Brasilien gibt es keine Game-Kategorie, da muss man in die Entertainment-Kategorie ausweichen.
PocketGod-Beispiel: Die rote Linie bezeichnet ein hohes Ranking, gelb die Downloads. Ãœber die Zeit nehmen die Downloads auch bei gutem Ranking ab.
Ist man in den Top 100, hat man 2.3 Mal mehr Downloads. Der Algorithmus des Apple iStores funktioniert nach Gewinnmaximierung: Die gewinnträchtigsten Apps werden oben gelistet.
Das Ranking kann beeinflusst werden durch
- Cross Promotion
- PR (Am erfolgreichsten bei «Ãœber-Blogs» wie Techcrunch.com oder Pocketgamer.co.uk, v.a. für dessen Nische)
- Pricing (Bezahl- vs. Gratis-Apps)
- Social Integration & Engineering
- Werbung / Ad Netzwerke / Game Netzwerke (Tapjoy, adknowledge Super Rewards, AdMob, W3i)
Beispiel Tapjoy: Man bezahlt ca. 45 Cents pro Installation auf einem Mobile. Je nach Erfolg der App ist die Download-Rate unterschiedlich. Wie bei Google AdWords stellt man sein Budget ein: Man will z.B. einen bestimmten Betrag investieren mit einem maximalen Betrag pro Install.
Beispiel der Publikation einer App über TapJoy:
– Total Paid Installs: 1’241
– Total Clicks: 1’650
– Total Spend: $558.45
– Conversion rate: 75.2%
–> Cost per Install: 45 cents
Das Problem ist, dass man nicht auswählen kann, wo die App geographisch angeboten werden soll und auch Genres können nicht ausgewählt werden. Bei AdMob kann man immerhin eine geographische Region eingeben, nicht aber das Genre.
Einige Anbieter schalten in einer App Werbung für eine andere, z.B. ein Popup mit 10 Dolphin $, wenn man die AngryBird-App herunterlädt.
Erfolgreicher ist eine Cross-Promotion auf der Mobile Website: Dort wird der Mobile-Browser identifiziert und eine entsprechende App (z.B. für iPhone oder Android) zum Download angeboten.
Die Publikation der App in der Presse bringt vergleichsweise wenig:
Ein Artikel in der NZZ brachte keinen Download, die Publikation als App der Woche in der SonntagsZeitung brachte 200 Downloads an einem Wochenende, ein Artikel in 20 Minuten 100 Downlaods in einer Stunde. Die Publikation in BlackBerry AppWorld brachte 1000 Downloads in 6 Stunden. Diese Werte sind approximativ, ein genaues Tracking ist nicht möglich, da der Medienbruch eine Unschärfe bringt: Hat jemand den Artikel gelesen und erst viel später die App heruntergeladen, indem man den Namen der App im Shop gesucht hat?
Für die Kaufentscheidung im Shop stehen relativ wenig Informationen zur Verfügung wie Icon der App, Name, Anbieter, Genre, Preis und Rating. Entsprechend wichtig ist die Gestaltung des Symbols oder der Name des Anbieters.
Die meisten Benutzer finden Apps über die Suche. Die Benutzerbewertungen sind sehr wichtig für den Kaufentscheid. Bunte, positive Symbole sind wichtig (gegenüber grauen, unscheinbaren), der Name des Anbieters sollte verständlich sein.
Pricing für Apps
Hat die App einen Preis, so sollte eine Gratis Testversion angeboten werden, um nicht zu viele Benutzer abzuschrecken. Der Durchschnittspreis einer App bei Apple liegt je nach Quelle bei $1.56 bis $2.87 oder $2.43 bis 3.86.
Gratis Apps
- Keine Hemmnisse beim Download
- 6.6 Mal öfter ausgeführt als kostenpflichtige Apps (obwohl man für diese bezahlt hat…)
- Problem: Geht auf der App-Liste im iPhone in der grossen Fülle verloren
- Die Finanzierung über Ads ist sehr schwierig (Eine CPM von 8$ bringt gleiche Einnahmen wie der App-Verkauf für 99 Cents)
- Nur 1% der Downloader benützt die App längerfristig, die Retention ist sehr tief
Explizite Viralität einer App
Recommend, Like, Facebook Share, Twitter sind die offensichtlichen Viral-Buttons. Bei AngryBirds sind dessen Funktionen gleich gross ausgebildet wie diejenigen der eigentlichen App.
Man soll die Aufforderung für Empfehlungen und Bewertungen im App Store aktiv fördern: Beim Deinstallieren fragt z.B. der App Store nach einem Rating. Dannzumal hatte man aber allenfalls ein negatives Ergebnis, man sollte die Benutzer also früher nach einer Bewertung fragen, z.B. nur diejenigen User, die die App oft aufrufen. Auch im Newsletter kann man nach einem Rating fragen.
Implizite Viralität einer App
Die App kann man beispielsweise nur benutzen, wenn man mit Facebook einloggt oder zuerst Freunde eingeladen hat. Es kann auch sein, dass Inhalte auf der persönlichen Facebook Wall publiziert werden. Es sollte ein Benutzerszenario sein, das Sinn macht, wenn man es zusammen mit Facebook- oder realen Freunden durchführt. Color.com ist eine Photo-Sharing-App für das iPhone: Es zeigt Photos von Benutzern, die in der Nähe sind. Das System funktioniert ohne Anmeldung.
Probleme sozialer Software
- Sign-up Problem: Man ist interessiert, aber nicht motiviert genug, um die App auszuprobieren und sich entsprechend anzumelden. Hier schafft die Option eines Logins über OAuth Linderung.
- First-time Use Problem: Viele Benutzer testen die App, finden sie dann aber nicht genügend intuitiv, wissen nicht was zu tun ist oder wie es funktioniert.
- Ongoing Engagement Problem: «Huhn/Ei-Problem» Was kommt zuerst, die Nutzer oder der Nutzen?
Farmville hat alle drei Probleme elegant gelöst: Es funktioniert nur in Facebook, die Anwendung ist intuitiv benutzbar, User werden immer wieder aufgefordert zurückzukehren.
Aktionen
– 50% Preisreduktion bedeuten 3 Mal mehr Sales
In-App Purchases
Die iPhone Diamanten-App kostete 1000$ und zeigte «nur» einen Diamanten auf dem Display. Eine schöne Bluffer-App… Sie wurde zwar nur wenig heruntergeladen, aber die Produktionskosten waren auch entsprechend klein (Apple hat die App vom Shop genommen).
- Abschöpfen von Gewinnen über den gesamten Lebenszyklus der App
- Verschiedene Güter sind zu verschiedenen Preisen verfügbar
- Apple behält 30% Kommission ein
- Nebst dem App-Eintrag ist ein manueller Eintrag (Submission) nötig
Erlaubt sind im Apple App Store:
- Digitale Bücher & Bücher (Content)
- Game Levels (Funktionalität)
- Zugriff auf Services (Dienstleistungen)
- Abonnement für digitale Magazine & Newsletter (Subscriptions)
U.a. nicht erlaubt sind:
- «Real world goods & services» (z.B. Web Design, Kurierdienst, Sanitär, etc.)
- Fitnesstudio-Abos
- Zwischenwährungen
Beim Android Market gibt es ein 24 Stunden Rückgaberecht. Dies wird sogar beim virtuellen Casino für das Spielgeld angeboten und von den Nutzern wahrgenommen…
Die Kommunikation des Preises ist sehr wichtig, damit er von Apple bewilligt wird. Preise zwischen 99 Cents und 99 Dollar sind unbedenklich. Höhere Preise werden von Apple nur bei sehr guter Begründung bewilligt.
Beispiel 99$ für den «Weltherrschaftssatelliten» in einem Game.
Gemessen wird der Erfolg in ARpU: Average Revenue per Active User. 20-80 Cent pro Woche sind relativ gut.
Man darf aber niemanden vor den Kopf stossen: Wenn man sich Erfolg kaufen kann, leidet die Attraktivität des Games: Free-Riders wollen nicht beleidigt werden, sind aber wichtig für die kritische Masse. Whales heissen die Intensivuser, sie wollen speziell betreut werden. Mit frischen Inhalten muss man die User bei Laune halten.
ngmoco ist der Anbieter von Godfinger. Sie wurden mit ihren 3 Games für 200 Mio. Dollar aufgekauft. Die Anmeldung funktioniert über mehrere Games hinweg, was die Retention erhöht. Sie machen eine Cross-Promotion für Texas Poker. Dann folgt noch ein Zwischenscreen mit ‹Today’s Gift›, erst dann gelangt man ins Game um den Aufbau von Planeten. Aber auch dort kann man sich noch Werbung ansehen, um zusätzlich Punkte zu erhalten. Ãœber einen eigenen Store kann man sich weitere ‹Awes› kaufen.
Gbanga Beispiele
2009 wurden in der Aktion «Zooh! Zürich» virtuelle Tiere und Pflanzen in Zürich verteilt. Per Handy konnte man diese sehen (es vibrierte) und sollte sie physisch in den Zoo zurücktragen. 5000 Tiere wurden von 700 Usern zurückgebracht, was viel Laufkundschaft generierte. Das war noch pre-iPhone, das System funktionierte über SMS, die Aktion wurde als sehr erfolgreich eingestuft.
In der Mafia-App ist Diebesgut in der Stadt Zürich verteilt. User sammeln die Objekte ein, werden Pate z.B. von Restaurants und machen dafür auch mal einen Umweg. Es gibt eine Facebook-Anbindung für Einladungen und das Tauschen mit Mitspielern. Der Shop ist in die App integriert und nicht im Anmeldeprozess vorgelagert.
http://twitter.com/#!/Qualterio/status/55668408691335169
2 Kommentare
Gute Zusammenfassung, guter Inhalt: die Information ist dicht und to the point. Was will man mehr.
Wie, wenn ich dabei gewesen wäre! Danke Walter! ;-)